von Fanny Mas (25.02.2022)
Eine gute Körperwahrnehmung kann der Verletzungsprävention dienen und Sie beim Musizieren weiter voranbringen! Unsere Gastautorin Fanny Mas, selbst Musikerin und Yogalehrerin, gibt Ihnen in diesem Beitrag praktische Tipps und Übungen an die Hand, mit denen Sie Ihr Körperbewusstsein ohne großen Aufwand beim täglichen Üben trainieren können.
Fanny Mas ist Akkordeonistin, Querflötistin und Yogalehrerin. Sie unterrichtet beide Instrumente an der Musikschule Bregenz (AT).
Im November 2020 hat sie IPAIA gegründet, um das Wohlbefinden von Musikern zu unterstützen...
Beim Musizieren arbeiten wir als Musikerinnen und Musiker mit bestimmten Teilen unseres Körpers sehr intensiv, während andere am Spielen nicht direkt beteiligt sind. Meistens ist es so, dass wir die Körperteile, die beim Musizieren aktiv sind, leichter wahrnehmen können als die, die nicht direkt relevant sind. Alle, die kein Blasinstrument spielen, haben beispielsweise oft Schwierigkeiten, ihre Atmung beim Spielen zu beschreiben, denn sie atmen vorwiegend unbewusst.
Diese Fokussierung des Bewusstseins ist vollkommen normal und trotzdem können die passiven Körperteile einen Einfluss auf das Musizieren haben. Daher ist es wichtig, die Wahrnehmung dieser zu üben, denn eine gute allgemeine Körperwahrnehmung ist die Basis der Prävention von Beschwerden, die beim Musizieren eintreten können, und ermöglicht eine bessere Bewegungs- bzw. Haltungsqualität. Dies bestätigt auch die Musikermedizinerin Renate Klöppel in ihrem Buch Die Kunst des Musizierens: „Denn auch für die Körperhaltung gilt, dass immer nur das verbessert werden kann, was durch die Wahrnehmung erfaßt wird.“
Sich seines Körpers aktiv bewusst zu sein, ist kein Dauerzustand: Es braucht Zeit, Konzentration, regelmäßiges Üben und kann so immer weiter verbessert werden.
Aber hier die erste gute Nachricht: Durch Ihr regelmäßiges Üben haben Sie sich schon eine Überoutine geschaffen. Sie brauchen also keine extra Überoutine für die Körperwahrnehmung in Ihren sicher schon vollen Alltag einzubauen. Integrieren Sie das Körperbewusstseinstraining einfach in Ihr Üben (s. Tipp Nr. 1).
Die zweite gute Nachricht: Wir Menschen sind uns grundsätzlich immer unseres Körpers bewusst, auch wenn wir ein paar Tage nicht intensiv daran arbeiten oder sogar noch nie darauf geachtet haben – es ist lediglich die Qualität der Wahrnehmung, die variiert. Egal wo auf dem Weg zu einem besseren Körperbewusstsein Sie sich gerade befinden, mit Freude und Neugier können Sie Ihren Körper immer weiter entdecken!
Und noch eine gute Nachricht: Unsere Körperwahrnehmung nährt sich aus allem, was wir im Alltag erleben. Die beim Üben erlangten Erkenntnisse nehmen wir mit in den Alltag und andersherum.
Warum ist das eine gute Nachricht? Weil das Körperbewusstsein, genauso wie das Musizieren, besonders gut durch das differenzierte Üben (mehr dazu: Wie funktioniert variables Üben?) wachsen kann.
Wollen wir auf dem Instrument eine schwierige Stelle fehlerfrei spielen können, reicht es nicht, diese immer wieder im Original zu spielen. Um uns die Stelle besser einzuprägen, sollten wir beim Üben verschiedene Parameter wie Tempo, Rhythmus oder Dynamik verändern.
So ist es auch beim Körperbewusstsein: Je mehr Parameter (Haltung, Richtung, Intensität…) verändert werden, desto sicherer wird die Wahrnehmung eines Körperteils oder einer Bewegung.
Um ein Körperteil oder eine Bewegung in unserem Körperbewusstsein zu stärken, können wir unsere Aufmerksamkeit dorthin lenken oder gezielte Bewegungen bzw. Haltungen praktizieren. Die fünf folgenden Tipps helfen Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit beim Üben in den Körper zu senden und mehr Raum für Bewegung zu schaffen.
Die nachfolgenden Übungen beziehen sich auf die Füße, denn sie sind für jeden wichtig: Egal ob Sie im Sitzen oder Stehen spielen, die Aktivierung der Füße beeinflusst die gesamte Haltung! Selbstverständlich funktionieren diese Tipps aber auch für die Wahrnehmung anderer Körperteile oder des Atems.
Vielleicht gehören Sie zu den vielen Musikerinnen und Musikern, die gerne effizient üben und nicht viel Zeit haben. Bisher war bei Ihnen jede Sekunde einer Übesession dem Spielen gewidmet. Bis zur letzten Sekunde üben Sie schwere Stellen, um ja keine wichtige Übezeit zu verlieren. Dennoch sind Übungen für die Körperwahrnehmung keine Zeitverschwendung: Sie schützen uns vor Beschwerden und verbessern unser Spiel. Sie sollten daher ein fester Bestandteil jeder Übeeinheit sein, genauso wie Tonleitern oder die Arbeit mit einem Metronom.
Aber weil Musikschaffende tendenziell perfektionistisch sind und oft bis zur letzten Sekunde am Instrument üben, sollte diese Körperarbeit nicht nur zufällig passieren, sondern gut ins Üben eingeplant werden. Konkret bedeutet das: vor dem Üben genau zu wissen, wann, wie lange und mit welchem Schwerpunkt wir uns um unseren Körper kümmern werden.
So sieht zum Beispiel eine Übesession aus, in welcher wir ein paar Minuten der Wahrnehmung der Füße widmen (die Übungsanleitungen finden Sie nachfolgend):
Natürlich können Sie sich auch viel mehr Zeit für Ihren Körper nehmen (aufwärmen, dehnen…) aber dieses ‚Minimalprogramm‘ kann schon viel bewirken, wenn es regelmäßig praktiziert wird. Der Schwerpunkt der Wahrnehmung sollte allerdings öfter gewechselt werden.
Diese Übung trägt zu einer guten Wahrnehmung der Füße und zu einer besseren Spielhaltung bei.
Diese Übung entspannt Beine und Füße und entlastet den unteren Rücken.
Das Musizieren ohne Schuhe ermöglicht eine gute Erdung, die die Basis einer guten Haltung ist, und fördert das freie Bewegen in den Pausen. Noch besser ist es, sich eine Yogamatte ins Übezimmer zu legen, auf der man in den Pausen die Bewegungen machen kann, die einem gerade gut tun.
Barfuß spielen bietet übrigens auch die Möglichkeit, in den Instrumentalunterricht viel Bewegung zu integrieren, wie zum Beispiel mit der Übung aus diesem Arbeitsblatt.
Suchen Sie sich beim Betreten des Übe- oder Proberaums sofort eine sichere und saubere Ablagefläche für das Instrument – und dies sogar, bevor Sie es auspacken!
Denn selbst wenn Sie konsequent den 1. Tipp befolgt und Zeit für den Körper eingeplant haben, werden Sie sich mit dem Instrument in der Hand nicht frei bewegen können. Da ist meist die Sorge um das Instrument zu groß: Wird es herunterfallen? Wird jemand aus Versehen daran stoßen?
Freie Hände und ein sorgenfreier Kopf fördern eine uneingeschränkte Körperbewegung und ermöglichen eine entspannte Körperwahrnehmung.
„Erste Präventivleistung bei langem Sitzen: Stehen Sie bei jeder Gelegenheit auf!“ (Gerd Schnack)
Falls Sie mit dem 3. Tipp nichts anfangen können, weil Sie ein Tasteninstrument spielen und sitzen: Stehen Sie so oft wie möglich auf, auch wenn es nur für ein paar Sekunden ist, denn erst dann wird Ihr Körper die nötige Bewegungsfreiheit für Dehnungen, Ausgleichshaltungen und neue Wahrnehmungsmöglichkeiten haben.
Ein Ball kostet fast nichts und kann vielseitig eingesetzt werden. Je nach Vorliebe können Sie einen Faszien-, Tennis- oder auch Jonglierball nehmen. Am besten haben Sie ihn beim Üben immer in Ihrem Sichtfeld liegen. Der Körper wird Ihnen genau signalisieren, wie er den Ball in diesem Moment gebrauchen könnte... einfach hinhören!
Ganz angenehm sind z. B. Selbstmassagen (Rücken, Schulter, Arme…) an der Wand nach dem Üben.
Diese Massage belebt die Wahrnehmung der Füße und dadurch die ganze Haltung, was ideal vor dem Üben oder in der Pause ist!
Diese Übung mit einem sanften Ball wird Sie sicherlich interessieren, wenn Sie unterrichten:
Praxis: Ein Ball für eine dynamische Handhaltung am Instrument
Die meisten Musikerinnen und Musiker spielen aus Noten. Sehr wahrscheinlich steht daher auch in Ihrem Übezimmer ein Notenständer! Vielleicht gehören Sie sogar zu denen, die ganz viele Eintragungen in Ihre Noten machen? Fingersätze, Bogenstriche, Balgwege, Atemzeichen… War Ihnen schon bewusst, dass ein Großteil dieser Zeichen Körperbewegungen beschreiben, die für die Musik wichtig sind?
Wie wäre es, wenn wir einen Schritt weiter gehen? Je nach Gusto können wir Farben, Stichwörter oder auch Zeichen benutzen, die uns beim Spielen daran erinnern, unseren Körper zu spüren. Es kann z. B. helfen an einer nicht zu schwierigen Stelle das Wort „Fuß“ in die Noten zu schreiben, um so automatisch die Erdung, die wir am Anfang der Übesession ohne Instrument mit der Kreisel-Übung gespürt haben, abzurufen und einer sich verschlechternden Haltung entgegenzuwirken.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Für das Land Weltweit gibt es eine eigene Stretta Webseite. Falls Ihre Bestellung in dieses Land geliefert werden soll, können Sie dorthin wechseln, damit Lieferzeiten und Versandbedingungen korrekt angezeigt werden. Ihr Warenkorb und Ihr Kundenkonto bleiben beim Wechsel erhalten.
zu Stretta Music Weltweit wechseln auf Stretta Music Schweiz bleibenFanny Mas ist Akkordeonistin, Querflötistin und Yogalehrerin. Sie unterrichtet beide Instrumente an der Musikschule Bregenz (AT).
Im November 2020 hat sie IPAIA gegründet, um das Wohlbefinden von Musikern zu unterstützen. In diesem Rahmen bietet sie regelmäßig Yoga für Musiker und Workshops für Instrumentalpädagogen an, die mehr Körperarbeit in ihre Pädagogik integrieren wollen.
Auf IPAIA sind instrumentenspezifische E-Books zu finden, die eine Verbesserung der Körperwahrnehmung und das freie Musizieren dank Yoga fördern. Übungen, Tipps und Interviews rund um das Thema Musikergesundheit stehen kostenlos auf dem IPAIA-Blog zur Verfügung!