Den Chören Mut machen

von Arne Sonntag

Welche Verbandspublikationen es vor der „Chorzeit“ gab, wo die „Chorzeit“ heute steht und wie sie die Zukunft des Mediums sieht, verrät Verlagsleiterin Veronika Petzold hier im Gespräch.

Chorzeit – Das Vokalmagazin

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Frau Petzold, die Leser:innen dürfen sich mit diesem Heft über die 100. Ausgabe der „Chorzeit“ freuen. Aber es gab ja schon Vorläuferpublikationen. Wo müsste man anfangen, wenn man in die Geschichte zurückgeht?

Mit der Gründung des Deutschen Sängerbundes (DSB) wurde seit 1862 eine eigene Zeitschrift unter wechselnden und für die jeweilige Zeit durchaus charakteristischen Namen herausgegeben: Aus „Sängerhalle“ wurde ab 1909 die „Deutsche Sängerbundeszeitung“ und seit 1958 erschien sie unter dem Namen „Lied und Chor“. Mit der Fusion des DSB mit dem 1908 gegründeten Deutschen Allgemeinen Sängerbund“ vormals Deutscher Arbeiter-Sängerbund, zählt auch dessen Zeitschrift „Der Chor“ zur Vorgeschichte.

Im Jahr 2005 wurden mit den Verbänden nun auch die beiden Zeitschriften als „Neue Chorzeit“ zusammengeführt, was ein verbands- und kulturpolitisch wichtiger Schritt war. Die „Neue Chorzeit“ ging mit ihrem Relaunch schließlich ab 2013 in die „Chorzeit“ – Das Vokalmagazin über, deren einhundertste Ausgabe hiermit vorliegt.

Daraus ergibt sich auch ein gewisser Spagat, denn natürlich ist die „Chorzeit“ auf der einen Seite eine Verbandspublikation, auf der anderen Seite hat sie sich schon längst als das Fachmagazin für Vokalmusik etabliert.

Genauso ist es. Aber 2005 erfolgte auch ein großer inhaltlicher Umschwung. Mir als damals neue Verlagsleiterin war wichtig, dass die Zeitschrift künftig von einer neuen Redaktion unter Leitung einer erfahrenen Musikredakteurin gestaltet wurde. Das durchzusetzen, war nicht leicht. Aber es war richtig, denn seither werden wir mit unserer Zeitschrift auch von außen viel stärker als Musikverband wahrgenommen! Überspitzt gesagt, hatten wir uns zu oft auf Berichte aus dem Verband, Ehrungen und Formular-Abdrucke beschränkt.

Nun haben wir ein informatives Mitgliedsmagazin und zugleich die führende Fachzeitschrift für Chormusik in Deutschland, mit der wir jeden Monat unsere Mitglieder und auch wichtige Akteure der gesamten Chorszene erreichen. Damit ist das Magazin eigentlich unser wichtigstes Projekt neben den Chorfesten, der chor.com oder unseren Initiativen wie zum Beispiel Die Carusos zur Grundlagenarbeit für die Jüngsten.

Wer die Fachzeitschrift in die Hand nimmt, erfährt viel über das große Spektrum der Chor- und Vokalmusik und gleichzeitig kann sich der Deutsche Chorverband profilieren und für das Singen immer wieder neu begeistern.

Wir haben das Thema Chormusik in den Fokus gerückt und sind so näher an unser Fachpublikum herangekommen und an alle, die sich für Vokalmusik interessieren. Gleichzeitig wollen wir dem Vereinskontext, in dem sich die Chöre bewegen, einen Platz geben. Dafür gibt es die Rubrik „Aus dem Verband“. Ich denke, dass die Herausforderung, beidem gerecht zu werden, ganz gut gelingt.

Im Prinzip handelt es sich um ein fruchtbares Nebeneinander, denn neue Interessent:innen gewinnt man auch dadurch, dass man über die Chorszene berichtet.

Das denke ich auch. Wir blicken nicht nur in den Verband, sondern auf das ganze Feld der Chormusik. Das können zum Beispiel mal tolle Profiensembles sein, besonders innovative Chorprojekte, bei denen ganz unterschiedliche Chöre vorgestellt werden, oder auch internationale Themen und Akteure. Es geht darum, die Vielfalt der Szene abzubilden. Wenn wir die Fachlichkeit nach vorn stellen, wachsen beide Seiten daran.

Und noch etwas ist mir wichtig: Alle Genres und Richtungen der Chormusik sollen zur Geltung kommen. Wir haben in diesem Zusammenhang auch einen Bildungsauftrag, indem wir den Menschen wichtige Repertoireliteratur immer wieder nahebringen, denn selbst Klassiker des Konzert- oder Kirchenmusikrepertoires drohen aus dem Bewusstsein und musikalischen Alltag zu verschwinden. Schlager und Pop dagegen haben einen Riesenmarkt erobert und sind in den Medien omnipräsent. So geht Wissen um Chormusik und deren Vielfalt verloren.

Darum ist es wichtig, viele Impulse beispielsweise auch für den Musikunterricht zu geben, zu unterschiedlichen Genres und Epochen, also von Alter Musik bis ins zeitgenössische Repertoire oder zum Volkslied. Es geht eben immer auch um die Frage, welches Kulturgut wir pflegen wollen. Gleichzeitig kann der Konzertbedarf ohne die Amateurszene überhaupt nicht befriedigt werden. Stellen Sie sich mal vor, wie still es Weihnachten ohne die tausenden Konzerte unserer Schul-, Vereins- oder Kirchenchöre wäre, gäbe es nur die wenigen Profichöre. Deutschland ist eine Chornation mit großer Tradition.

Die Trennlinie zwischen Laien und Profis lässt sich musikalisch ja ohnehin nicht immer ziehen, denn auch Amateurchöre erreichen manchmal ein erstaunliches Niveau.

Die Frage der Trennlinie ist rechtlich ganz einfach: Amateur ist, wer davon nicht lebt, und Profi ist, wer damit seinen Unterhalt verdient. Das andere ist die künstlerische Qualitätsdefinition. Ich glaube, dass es in vielen Chören ein sehr großes Qualitätsbewusstsein gibt.

Aber wenn wir über die „Chorzeit“ und den DCV reden, dann müssen wir immer auch im Blick haben, dass die meisten unserer Chöre als soziale Institutionen in einer Region, einer Stadt oder einem Dorf agieren. Die Chöre sind dort ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Hier geht es immer auch um soziale Werte und nicht in erster Linie um die musikalische Qualität. Auch diesen Aspekt wollen wir in der „Chorzeit“ abbilden.

Wenn ein Chor eine gute soziale Struktur hat, dann macht sich das häufig auch in der musikalischen Qualität bemerkbar.

Jeder Laienchor, der mit Herzblut singt, kann einen mitnehmen und begeistern. Genau darum gehe ich gern zu Kinderkonzerten, denn da sind die soziale Wahrnehmung und das Aufeinanderachten eine ganz große Qualität. Das sind wichtige Werte. Wir müssen also die Breite der Szene mitnehmen und wollen ihr auch zeigen, wie gut die Spitze ist, ohne das zur Norm zu machen.

Auch sind viele Chöre recht gut durch die Pandemie gekommen, weil ihre sozialen Gemeinschaften funktionieren und die Chorleiterinnen und Chorleiter gut integriert sind. Solche Werte zeichnen uns genauso wie das Musizieren aus. Wenn ein Chor ein ganzes Jahr geprobt hat und die Laienschar dann mit pochenden Herzen da vorn steht, verbindet das alle, also den Chor und auch sein Publikum.

An der Stelle kann die „Chorzeit“ ja auch den Chören Impulse geben.

Ja, Impulse in künstlerischen Fragen, aber zum Beispiel auch Mut machen. Das war lange Zeit in der Pandemie unsere Aufgabe: Wo gibt es Unterstützung? Wo findet man Informationen zu Hygienekonzepten? Und so weiter. Wir nehmen dabei die praktischen Fragen des Vereins- und Chorwesens genauso in den Fokus wie die Vermittlung von Anregungen und guten Beispielen. Bezogen auf musikalische Empfehlungen und Hörbeispiele spielen da natürlich auch unsere Rezensionen eine wichtige Rolle.

Aber es gibt noch mehr Aspekte: Wie professionalisieren Chöre ihre Öffentlichkeitsarbeit? Wie kann man sich auf der Bühne besser präsentieren? Das geht bis hin zu Fragen einer ansprechenderen Chorkleidung. All das gehört in das Spektrum so einer Zeitschrift, damit der Spagat von Mitgliedermagazin zu Fachmagazin auch gelingen kann.

Was wäre denn wünschenswert für die nächsten einhundert Ausgaben der „Chorzeit“? Welche Perspektiven sehen Sie?

Wir haben den Schritt in die Zukunft ja bereits gemacht, indem die „Chorzeit“ inzwischen für jede Sängerin und jeden einzelnen Sänger eines Mitgliedschores als E-Paper zur Verfügung steht. Man braucht sich nur die App herunterzuladen und kann fröhlich loslegen. Hier fehlt es aber innerhalb der Chöre offenbar noch ein bisschen an Werbung dafür.

Und ich möchte auch, was den Online-Bereich anbelangt, schneller werden, denn eine stets aktuelle Internetpräsenz ist in unserer schnelllebigen Zeit wichtig und etwas anderes als ein Monatsmagazin. Von solchen Dingen träumen wir und versuchen neue finanzielle Mittel und personelle Kapazitäten dafür zu finden.

Das Gespräch führte Arne Sonntag. Er ist Musikjournalist in Berlin. Das Interview ist in „Chorzeit“ – Das Vokalmagazin, Ausgabe 100, Januar 2023 erschienen.

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