Amy Winehouse: ihr Leben in Lyrics

von David Rauh (23.07.2021)

Vor zehn Jahren ist die Jazz-Sängerin Amy Winehouse an einer Alkoholvergiftung gestorben. Ausgehend von ihrem tragischen letzten Konzert, blickt das Stretta Journal zurück auf ihr Leben – anhand der Texte ihrer eigenen Songs.

Der 18. Juni 2011 in Belgrad: Es ist schon dunkel, Lichter in Blau- und Rottönen tauchen die Bühne in eine vernebelte Stimmung. Man fühlt sich wie in einem Jazz-Club, aber das Konzert ist Open Air und 20.000 Fans sind gekommen, um sie zu sehen: Eine britische Jazz-Sängerin von 27 Jahren, die mit nur zwei Alben zum Weltstar wurde. Ein drittes Album soll schon länger in Arbeit sein, doch seit einem halben Jahr hat man nicht mehr viel von ihr gehört. Laut einer nicht lange zurückliegenden Untersuchung in einer Suchtklinik soll sie aber in guter Verfassung für ein Konzert sein. Die Band stimmt sich kurz mit einer R&B-Nummer aus den 60ern ein und kündigt die Künstlerin an: Amy Winehouse.

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Sie tritt auf die Bühne, aber beachtet das Publikum nicht. Sie rennt auf den Gitarristen zu, umarmt ihn, setzt sich auf einen Lautsprecher. Verwirrung unter den Musikern. Unter Anstrengung rafft sie sich wieder auf. Sie schwankt noch. Dann umarmt sie den zweiten Sänger und wirft ihre Schuhe weg. Der erste Song wird angestimmt.

Das Intro von „Just Friends“ gerät länger als sonst. Winehouse hat wieder Koordinationsschwierigkeiten und setzt sich erneut. Sie schafft es ans Mikrofon, steht mit verschränkten Armen da. Sie öffnet ihren Mund – mit Spannung wird ihre einmalige Soul-Stimme erwartet, die von Sarah Vaughan und Dinah Washington inspiriert ist – …aber sie murmelt kaum hörbare Songzeilen. Sie wirkt geistesabwesend, weggetreten, trifft die Töne kaum, bricht ab, nur um grölend zu verkünden, dass sie die Band vorstellen wolle.

Dann singt sie wieder, ziellos. Sie hat keine Ahnung, wo sie sich im Song befindet. So geht es den ganzen Abend weiter: Kurze Gesangsphrasen, dann nichts, apathisches Dastehen, Zwischenrufe – sie ist viel zu betrunken und offenbar nicht in der Lage, diesen Auftritt zu absolvieren. Was war passiert?

Amy Winehouse betrank sich am Tag zuvor absichtlich so sehr, dass sie glaubte, nicht mehr auftreten zu müssen. Doch ihre Manager bugsierten die komatös schlafende Winehouse in einen Flieger nach Serbien. Eine Möglichkeit zum Rückzug gab es nicht mehr – sie sollte unter allen Umständen auftreten. Der Pianist der Backing Band vermutet: „The material felt so tired, and didn't feel well at the time anymore, but because she was such a huge star, and there was all of these different pressures, she had to keep performing Back to Black. She didn't wanna do that.“

Back to Black

Das Album Back to Black machte sie auf der ganzen Welt bekannt. Alle Winehouse-Songs an jenem Belgrader Abend stammen von diesem Album. Auffällig bei ihren eigenen Songs ist, wie offen sie aus ihrem Leben erzählt. Ja, sie kann bei ihren Songs nur aus persönlichen Erlebnissen schöpfen: „I wouldn't write anything unless it was directly personal to me, just 'cause I wouldn't be able to tell the story right, because I wouldn't have done it.“ Speziell ihr zweites Album scheint auch eine Art Selbsttherapie gewesen zu sein, wie sie beschreibt: „When I started writing the album, I write songs because I'm fucked up in the head, and I need to put it on paper and write songs to it and feel better about it: Have something good out of something bad.“

Schauen wir uns daher einmal die Songtexte des Konzerts genauer an. Was können wir daraus lesen? Wie viel aus ihrem Gefühlsleben hat sie preisgegeben bzw. was wollte sie an diesem Juni-Abend 2011 womöglich nicht mehr vermitteln?

Die Songs auf Back to Black, zu dem Zeitpunkt schon fünf bis sechs Jahre alt, sind unmittelbar nach einer schwierigen Trennung entstanden. Im Titelsong „Back to Black“ schildert sie ihre Situation zu der Zeit: Blake Fielder-Civil verlässt sie für seine Ex-Freundin, während Amy zurück in eine schwarze, d.h. depressive Phase fällt:

„We only said goodbye with words,
I died a hundred times,
You go back to her and I go back to black.”

„Love is a Losing Game“ ist Ausdruck dieser Verzweiflung, denn sie glaubt gar nicht mehr an eine funktionierende Liebesbeziehung:

„Love is a losing game,
One I wish I never played,
Oh, what a mess we made.“

Sie glaubt, allein mit ihrem Schmerz zurechtkommen zu können, wie es in „Tears Dry On their Own“ heißt:

„He walks away, the sun goes down,
He takes the day, but I'm grown,
And in your way, in this blue shade,
My tears dry on their own.“

Die Musik wirkt wie ein zynischer Kommentar zu diesem Abschluss ihrer Beziehung: Der Song basiert auf Samples des Motown-Klassikers „Ain’t No Mountain High Enough“, einem Duett, in dem die Sänger sich gegenseitig ihre grenzenlose Liebe kundtun.

In „Some Unholy War” stellt Winehouse dar, wie toxisch die Beziehung aber eigentlich war. Der „Unholy War“ ist der Kampf ihres damaligen Ex-Freundes mit seiner Drogenabhängigkeit. Er wartet nur auf die nächste Lieferung Kokain („We wait for the blow“), Amy ist „at his side and drunk on pride“, allerdings nicht nur metaphorisch betrunken. Amy würde alles für ihn geben; sie würde sogar für ihn sterben:

„But who you dyin' for?
B[lake], I would have died, too.“

Tatsächlich griff sie zwischen 2007 und 2009 selbst zu harten Drogen, weil sie mit ihrem Freund mithalten wollte. In dieser Zeit – nach der Veröffentlichung von Back to Black – kamen sie wieder zusammen und waren sogar verheiratet. Zum Zeitpunkt ihres letzten Konzertes waren sie aber bereits seit zwei Jahren wieder geschieden.

Doch auch nach der ersten Trennung 2005 spielten Drogen, d. h. Alkohol und Marihuana, eine große Rolle bei der Bewältigung ihrer Probleme, was in anderen Texten immer wieder durchscheint, so etwa in „Just Friends“:

„When will we get the time to be just friends?
It's never safe for us, not even in the evening,
'Cause I've been drinking.“

Der gesamte Song „Addicted“ thematisiert ihre Marihuana-Sucht, ohne dabei ihren Trennungsschmerz unerwähnt zu lassen:

„Don't make no difference if I end up alone,
I'd rather have myself and smoke my home grown,
Oh, it's got me addicted,
Does more than any dick did.“

Ähnlich wird im Song „Back to Black“ durch den unterschiedlichen Drogengebrauch klar gemacht, dass die beiden Partner grundsätzlich verschieden sind: Kokain (blow) wirkt aufputschend, Marihuana (puff) dagegen beruhigend.

„I love you much, it's not enough,
You love blow and I love puff.“

In „You Know I’m no good” werden repräsentative Länder für Gras (Jamaica) und Wein (Spanien) hergenommen, um ihren Umgang mit Drogen zu bebildern.

„Sweet reunion, Jamaica and Spain,
We're like how we were again.“

Der definitive Winehouse-Song: „Rehab“

Es verwundert ein wenig, dass „Rehab“ nicht zur Setlist des Konzerts in Belgrad gehörte. Vielleicht gerade weil er, wie kein anderer Song, für Amy Winehouse steht:

Ihre Einflüsse. Donny Hathaway war ein R’n’B-Sänger aus den 70ern (der auch sehr früh, mit 33 Jahren, verstarb).

„'Cause there's nothing, there's nothing you can teach me,
That I can't learn from Mr. Hathaway.“

Ihre Kindheit. In der Schule interessierte sie sich eigentlich nur für den Musikunterricht.

„I didn't get a lot in class,
But I know it don't come in a shot glass.“

Ihre Drogenabhängigkeit, verdeutlicht durch das zentrale Thema, die Aufforderung zum Besuch einer Entzugsklinik:

„I ain't got the time and if my daddy thinks I'm fine,
He's tried to make me go to rehab, but I won't go, go, go.“

Ihre Depression. Ihre Alkoholabhängigkeit sah Winehouse nur als Symptom für ihre tieferliegende psychische Erkrankung. Im frühen Jugendalter bekam sie bereits Antidepressiva verschrieben. Sie konnte nicht damit umgehen, dass ihr Vater sie und ihre Mutter verlassen hatte. Die Trennung durch ihren Freund 2005 hinterließ ähnliche Spuren. Ein wahrer Freund würde sie heilen.

„I don't ever wanna drink again,
I just, ooh, I just need a friend.
[...]
It's not just my pride,
It's just till these tears have dried.“

Ihren Erfolg. Nach den Aufnahmen wurde dieser Song zu ihrem Markenzeichen. Sie performte ihn am häufigsten; er prägte ihr Image eines Superstars, der sich nichts sagen lässt. Der Song brachte ihr drei Grammys ein. Jedoch konnte sie mit diesem Erfolg nicht umgehen. Sie vermutete schon Jahre vor ihrem internationalen Durchbruch: „I don't think I could handle it. I'd probably get mad.” Denn eigentlich wollte sie wie zu Beginn ihrer Karriere weiter in intimen Settings in Jazz-Clubs auftreten oder in Ruhe Musik aufnehmen. So schlug sie, wahrscheinlich unter Drogeneinfluss, auf Paparazzi ein, die ihr zu nahe kamen.

Ein Highlight vor dem Erlöschen

Der Ruhm brachte ihr aber auch Gutes. Tony Bennett, eines ihrer größten Idole, wurde auf sie aufmerksam. Für sein zweites Duett-Album suchte Bennett nach einem geeigneten Vertreter des Jazz-Gesangs der aktuellen Generation. Als er Amy Winehouse hörte, war ihm sofort klar, dass sie dabei sein musste. Im März 2011 nahmen die beiden das Duett auf. Ein letztes Mal wurde die starke Ausdruckskraft von Amys durch den Jazz geformte Stimme festgehalten, während für sie selbst ein Traum wahr wurde.

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Drei Monate danach sang sie zum ersten Mal wieder auf der Bühne – in Belgrad. Viel von ihrem Gesangstalent war allerdings nicht wahrzunehmen. Die Gesangslinien, die sie live zwar schon immer neu interpretierte, waren kaum wiederzuerkennen, wenn sie überhaupt artikuliert wurden. Die Fans fühlten sich betrogen und buhten sie heftig aus. Die serbischen Medien berichteten vom schlimmsten Konzert ihres Landes. Selbst beschämt über ihren Auftritt, verzichtete Winehouse auf ihre Gage und sagte die nachfolgenden Konzerte ihrer Europatournee ab.

Dieses Konzert sollte das letzte ihres Lebens werden. Amy Winehouse verstarb plötzlich am 23. Juli 2011 in ihrer Wohnung in Camden. Neben ihr lagen zwei leere Wodka-Flaschen. Zwar hatte ihre Therapeutin sie schon länger gewarnt, dass ihr Trinkverhalten im Zusammenhang mit ihrer Bulimie tödliche Folgen haben könnte – und Amy wollte leben! – aber sie, die sonst alles aus eigener Kraft erreichte, schaffte es nicht allein, die Finger vom Alkohol zu lassen. Es gab keine Autorität, die sie wirklich davon hätte abbringen können.

Der Mensch Amy Winehouse hatte sich tragischerweise bis zuletzt nicht im Griff, doch eines steht fest: Die Künstlerin Amy Winehouse wird uns noch auf Jahre ergreifen. Das zeigt auch ein versöhnlicher Akt der Stadt Belgrad zehn Jahre nach dem Skandalkonzert: Erst kürzlich wurde bekanntgegeben, dass an der Stelle ihres letzten Auftritts ein Monument ihr zu Ehren errichtet werden soll. Denn trotz verschiedener Fehltritte war sie, um es mit Tony Bennetts Worten zu sagen, „one of the truest Jazz singers [...] She should be treated like Ella Fitzgerald or Billie Holiday. She had the complete gift.“

Amy Winehouse – Noten & Tabs

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