Reichtum der europäischen Kultur
Auf „Unity“ spiegelt sich die musikalische Vielfalt und der Reichtum der europäischen Kultur zudem auch musikalisch wider: Klassiker der europäischen Musikgeschichte treffen auf moderne Kompositionen und so innovative wie pfiffige Arrangements. Aus der Welt des Barock von Jean-Philippe Rameau, Georg Philipp Telemann und Antonio Vivaldi über den Romantiker Victor Ewald bis hin zu extrem hörenswerten Werken des 21. von Witold Lutosławski und Malcolm Arnold zeigt das Reinhold Friedrich Brass Quintett auf dieser CD eine beeindruckende Bandbreite und kammermusikalisches Spiel auf Weltklasseniveau. Wie in einer guten Demokratie oder beim viel gerühmten, aber leider nicht immer gelebten europäischen Gedanken spürt man beim Hören dieser Werke, dass es den Musikern darum geht, eine Einheit im Spiel zu demonstrieren und ihr Können einzig und allein in den Dienst der Musik selbst zu stellen. Diese Synergie und die gegenseitige Wertschätzung sind in jedem Track spürbar und verleihen der Musik eine besondere Magie.
Vor lauter kompositorisch-musikalischen Hochkarätern fällt es nicht leicht, einen Höhepunkt unter den eingespielten Werken auszumachen. Doch das Arrangement der gut elfminütigen Triosonate „La Folia“ mit seinen vielen innig-intensiven Momenten des italienischen Barockkomponisten Antonio Vivaldi ist nicht nur Kammermusikspiel von allerhöchster Qualität, sondern auch interpretatorisch extrem berührend!
Reinhold Friedrich Brass Quintett
Zusätzlich zur musikalischen Darbietung bietet das Reinhold Friedrich Brass Quintett eine besondere Möglichkeit, seine Musiker näher kennenzulernen: Über das Booklet verlinkt sind auf YouTube kurze und teils sehr persönliche Video-Interviews mit Jeroen Baerwarts, Lasse Mauritzen, Ian Bousfield und Thomas Røisland verfügbar, in denen die Musiker über „Unity“ und das Zusammenwachsen als Quintett sprechen. Zwar ist bisher noch kein Video-Interview des Weltklasse-Solisten selbst darunter, aber möglicherweise ist er für BRAWOO wieder einmal zu einem Künstlerinterview bereit oder spricht über seine Übetipps, wie wir es bereits in Ausgabe 9/2022 von BRAWOO hatten! Es wäre uns eine Ehre!
Der Tonträger „Unity“ schließt mit dem The Beatles-Medley „A Lullaby for Boris Brexit“, in welchem geschickt arrangierte Hits der „Fab 4“ musikalisch mit einem Augenzwinkern und gleichzeitig mit einem weinenden Auge als Schlaflied vereint werden. Dieses Medley erklingt in Anspielung auf Boris Johnson, welcher als Hardliner dem Brexit, dem Verlassen des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 1. Februar 2020, eine tragende Rolle gespielt hat.
Interviews mit den Musikern über „Unity“
Jeroen Berwaerts
Wir verwenden YouTube, um Videoinhalte einzubetten. Dieser Google-Service verfügt über eigene Cookies und kann Daten zu Ihren Aktivitäten sammeln. Näheres dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters. Wir benötigen Ihre Zustimmung, um YouTube-Videos anzuzeigen:
YouTube-Inhalte anzeigen
Lasse Mauritzen
Wir verwenden YouTube, um Videoinhalte einzubetten. Dieser Google-Service verfügt über eigene Cookies und kann Daten zu Ihren Aktivitäten sammeln. Näheres dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters. Wir benötigen Ihre Zustimmung, um YouTube-Videos anzuzeigen:
YouTube-Inhalte anzeigen
Ian Bousfield
Wir verwenden YouTube, um Videoinhalte einzubetten. Dieser Google-Service verfügt über eigene Cookies und kann Daten zu Ihren Aktivitäten sammeln. Näheres dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters. Wir benötigen Ihre Zustimmung, um YouTube-Videos anzuzeigen:
YouTube-Inhalte anzeigen
Thomas Røisland
Wir verwenden YouTube, um Videoinhalte einzubetten. Dieser Google-Service verfügt über eigene Cookies und kann Daten zu Ihren Aktivitäten sammeln. Näheres dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters. Wir benötigen Ihre Zustimmung, um YouTube-Videos anzuzeigen:
YouTube-Inhalte anzeigen
Über Autor und Werk: Blechbläserquintett Nr. 3 in Des-Dur op. 7 von Viktor Ewald
Oft in die Amateurecke verbannt, sind die Kompositionen Ewalds (1860 – 1935) dennoch berührend und weit entfernt von Dilettantismus. Der Komponist der Spätromantik kam im November 1860 in St. Petersburg zur Welt. Sein Vater war ein künstlerisch talentierter Staatsrat und Realschuldirektor. Am erst wenige Jahre zuvor von Anton Rubinstein gegründeten St. Petersburger Konservatorium erhielt Viktor Ewald ab dem Alter von zwölf Jahren Musikunterricht und erlernte neben dem Cello-, Kornett-, Horn- und Klavierspiel auch die Grundlagen der Harmonielehre und Komposition.
Als studierter Bauingenieur lehrte er hauptberuflich am St. Petersburger Institut für Bauingenieure, dem Institut für Eisenbahningenieure sowie der Akademie der Künste, publizierte mehrere wissenschaftliche Lehrbücher und gab eine Architektur-Zeitschrift heraus. Diese wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglichte es ihm, die Musik zu einem weiteren Eckpfeiler seines Lebens zu machen: Er sammelte russische Volkslieder, trat bei zahlreichen Konzerten meist als Cellist im Streichquartett auf und komponierte Quintette sowohl für Streicher als auch für Blechbläser. Ewald pflegte Kontakte zu weiteren musikalisch hochgebildeten Amateurmusikern, die eng mit den Komponisten des „Mächtigen Häuflein“ - Mily Balakirev, Alexander Borodin, Cesar Cui, Modest Mussorgsky und Nikolai Rimski-Korsakow - in Austausch standen und wöchentliche Soiréen gaben.
Zum 1912 bei der Edition Belaiew publizierten Quintett für Blechbläser op. 5 in b-Moll – oftmals als Blechbläser-Quintett Nr. 1 bezeichnet – fanden sich in den 1960er Jahren weitere Werke aus der Feder Viktor Ewalds in einem Nachlass. Neben diesen Quintetten existiert als Opus 2 eine Romanze für Violoncello und Klavier, Alexander Wierzbilowicz gewidmet, einem polnisch-stämmigen Cellisten, der bei Karl Davydov studierte, dem gleichen Lehrer, bei dem Viktor Ewald Unterricht erhalten hatte.
Viktor Ewald starb im Alter von 74 Jahren im April 1935. Seine Tochter Zinaida Viktorovna Ewald, im Jahr 1894 geboren, stieg in seine Fußstapfen und wurde Pianistin, Musikwissenschaftlerin russischer Folklore und promovierte in Kunstgeschichte. Sie starb während der Leningrader Blockade der Deutschen Wehrmacht im Winter 1941/42.
Das Blechbläser-Quintett Nr. 3 in Des-Dur op. 7 ist neben seiner spätromantischen musikalischen Schönheit ein spannendes Suchspiel, denn Viktor Ewald hat hier einige auch in Mitteleuropa bekannte Volkslieder zitiert und teils sehr geschickt versteckt. So erklingt gegen Ende des ersten Satzes sehr kurz, aber deutlich erkennbar, das musikalische Zitat aus dem Brahms’schen Wiegenlied, wo es im Original heißt „Schlafe selig und süß“. Im zweiten Satz kann man ebenfalls ein Schlaflied, nämlich „Bajuschki baju“, erkennen und auch im weiteren Verlauf lassen sich verschiedene musikalische Zitate entdecken, zum Beispiel aus dem Choral „Jesus, bleibet meine Freude“.