Am Anfang war das Wort

Als Kind schloss ich manchmal für längere Zeit meine Augen, um mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn man die Welt vorwiegend nur durch seine Ohren an sich heranliesse. Eine Tante aus unserer Familie, die vollständig erblindet war, sass bei uns zuhause oft lächelnd auf dem Sofa. Bei dieser Übung machte ich immer wieder und zunehmend intensiver die Feststellung, dass über den auditiven Sinn eine viel dichtere Differenzierung an Bildern und Informationen in mein Innerstes gelangten. Wörter, Klänge, Geräusche und Töne erschienen mir wie ein Kosmos, der schier unergründlich und unermesslich war. In ganz besonderen Momenten konnte das Wort auch ein Licht in mir auslösen, ja mitunter sogar eine ganze Welle von Lichtpartikeln, die mir in der vermeintlichen Dunkelheit Formen und Wege zeigten. Am Anfang war das Wort, vielleicht auch der Klang, vor allem aber das Licht. Ich wünsche mir, dass der Hörer meine Komposition mit geschlossenen Augen, zumindest teilweise, wahrnehmen würde. Möglicherweise könnten dabei auch ein paar Lichtpartikel in seinem inneren Auge entstehen. Harald Weiss, September 2013